Neuromarketing – Hokuspokus oder praxistaugliche Wissenschaft?
In diesem Artikel möchte ich mit einigen Mythen aufräumen und dazu motivieren Neuromarketing als grundlegenden Bestandteil in die eigene Marketingpraxis zu integrieren. Ich versuche hierbei nicht allzu sehr in wissenschaftliche Tiefen vorzudringen, aber werde dennoch zum Einstieg einige theoretische Grundlagen anschneiden, bevor ich auf den Praxisbezug eingehe.
Neuromarketing und Interdisziplinarität
„Schon wieder eine neue Methode, die niemand braucht.“ Oder: „Neuromarketing ist doch nur alter Wein aus neuen Schläuchen.“ Solche Aussagen habe ich schon öfter von selbsternannten Marketingexperten gehört. Jedoch handelt es sich bei Neuromarketing weder um eine Methode, noch wird hier versucht altes Wissen als etwas Neues zu verkaufen.
Neuromarketing ist vielmehr ein interdisziplinärer Ansatz verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, die das Interesse verfolgen, Erkenntnisse aus Bereichen der Hirnforschung, der Neurowissenschaften, der Psychologie, der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften und weiterer Disziplinen zusammenzuführen, um sie für die Arbeit mit Marketingkonzepten nutzbar zu machen. Ein wesentlicher Bestandteil in diesem Forschungsfeld ist z.B. die Neuroökonomie.
Neuromarketing und Neuroökonomie
Die Begriffe Neuromarketing und Neuroökonomie lassen bereits darauf schließen, dass es sich hier um Transdisziplinen handelt, die sich unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen zusammensetzen. Innerhalb der Neuroökonomie sind drei wesentliche Bereiche zu nennen:
- Markenforschung
- Werbewirkung
- Kaufentscheidungen
In der Markenforschung haben Wissenschaftler weltweit und unabhängig voneinander verschiedene Teilprobleme analysiert und sind zu dem Konsens gelangt, dass es Emotionssysteme gibt, die einen entscheidenden Einfluss auf die Markenwahrnehmung und auf unsere Kaufentscheidungen haben. Lange Zeit unbeantwortet blieb jedoch die Frage, welchen Einfluss diese Emotionalisierung auf den Markenerfolg hat und wie dies neurobiologisch zu erklären ist. Als eine überraschende Erkenntnis aus der Forschung, ist z.B. der sog. „First-Choice-Brand-Effect“ zu nennen. Dieser Effekt beschreibt, dass das Konsumentengehirn offensichtlich nicht in der Lage ist, mehr als eine Marke im Entscheidungsprozess zu emotionalisieren (vgl. Kenning 2014, S. 25–26). Eine wichtige Erkenntnis, die uns nochmal verdeutlicht, welche Macht Emotionen auf unsere Kaufentscheidungen ausüben. Als Konsument haben wir kaum einen Einfluss darauf, wie wir im Kaufprozess mit diesen Emotionen umgehen, in der Markenführung und im strategischen Marketing können wir den „First-Choice-Brand-Effect“ bei der Kampagnenkonzeption für uns Nutzen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass wir diese eine Marke sind!
Aber wie erreicht man diese Emotionalisierung von Marken? Kurzgefasst geht es im Wesentlichen darum die Belohnungszentren im Gehirn des Kunden zu aktivieren. Welche Hirnareale hierbei eine Rolle spielen und wodurch sie aktiviert werden, kann die Forschung mittlerweile sehr gut darstellen. Mit der Hilfe von Bildgebungsverfahren, beispielsweise durch fMRI-Studien (functional magnetic resonance imaging), lässt sich die Werbewirkung messen und bildlich darstellen. Derartige Studien und Bildgebungsverfahren verdeutlichen, dass es entgegen manch naiver Vorstellungen keinen spezifischen „Buy Bottom“ für unsere Kaufentscheidungen im Gehirn gibt. Es geht hierbei um das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale, die als gleichzeitig seriell und parallel eine Aktivierung von Prozessen fokaler, eng miteinander verschalteter neuronaler Netzwerke zu verstehen sind (vgl. ebd., S. 23–33). Klingt komplex? Ist es auch. Aber die Erkenntnisse daraus lassen sich relativ einfach für unsere tägliche Marketingpraxis nutzen!
Neuromarketing und neurowissenschaftliche Disziplinen
Wie zuvor beschrieben, lassen sich durch Bildgebungsverfahren bestimmte Aktivitäten in unseren Hirnarealen darstellen. Neurowissenschaftliche Methoden können dabei helfen Marketingthesen zu überprüfen und aus den Ergebnissen Erkenntnisse für die Praxis abzuleiten.
Würde ich diesen Beitrag im Rahmen eines Studiums oder als wissenschaftliche Arbeit verfassen, dann würde ich an dieser Stelle damit beginnen, sämtliche neurowissenschaftlichen Methoden und Bildgebungsverfahren aufzuzählen und zu erklären. Aber wie gesagt, ich möchte wissenschaftlich gar nicht so sehr in die Tiefe gehen. Dennoch möchte ich folgend mit einer Grafik veranschaulichen, welche Hirnareale existieren und welche Aufgaben sie haben, die wir uns in der Marketingpraxis zu Nutze machen können.
Neuromarketing in der Praxis
Wenn man sich mit dem Thema Neuromarketing beschäftigt und nach praxiserprobten Tools sucht, dann wird man unweigerlich auf den Begriff „Limbic®“ stoßen. Hierbei handelt es sich um ein Instrumentarium, welches im Wesentlich auf die Arbeiten von Dr. Hans-Georg Häusel und die Gruppe Nymphenburg zurückführt. Der Vollständigkeit halber müsste ich eigentlich an dieser Stelle weitere Modelle aufführen, aber ich werde mich in diesem Beitrag auf Limbic® beschränken, da ich wie gesagt nicht zu tief gehen möchte und das Modell nach Limbic® sehr umfangreich ist. Zudem muss ich gestehen, dass ich persönlich kein anderes Tool im Bereich Neuromarketing kenne, das derart ausgereift und praxistauglich ist und ich es deshalb auch präferieren würde, wenn ich mich für ein Tool entscheiden müsste. Folgend möchte auch die unterschiedlichen Instrumente von Limbic® kurz anschreiben und anhand von Grafiken veranschaulichen.
- Limbic® Map
- Limbic® Types
- Limbic® Load
- Limbic® Explorer
- Limbic® Emotional Assessment (LEA)
- Limbic® Brand Pilot
Limbic® Map
Die Limbic® Map verschafft eine Übersicht über den Emotionsraum des Menschen. Auf der Limbic® Map lassen sich sämtliche menschlichen Motive, Werte und Wünsche darstellen und in Relation zueinander bringen. Die Limbic® Map dient dazu Motiv- und Wertstrukturen von Marken und Produkten zu veranschaulichen. Die Konstruktion der Limbic® Map basiert Expertenbeurteilungen von Psychologen, die mittels Distanz-Analysen empirisch validiert wurden (Gruppe Nymphenburg 2020e).
Abbildung 1: Limbic® Map (Gruppe Nymphenburg 2020e)
Limbic® Types
Über die Limbic® Types lassen sich Konsumenten über das Hauptemotionsfeld ihrer emotionalen Persönlichkeitsstruktur zuordnen. „Durch das Einpflegen eines besonderen Limbic® Types-Meßverfahrens in die b4p (best for planning), die aktuellste umfassende Markt-Media-Studie Deutschlands, werden im zweijährigen Turnus 20.000 Konsumenten repräsentativ typisiert.“ (Gruppe Nymphenburg 2020f). Hierdurch lässt sich die Verteilung innerhalb Deutschlands sichtbar machen und es lassen sich somit Alters-, Geschlechts-, und Einkommens-Verteilungen ermitteln (vgl. ebd.).
Abbildung 2: Limbic® Types (Gruppe Nymphenburg 2020f)
Limbic® Load
Durch Limbic® Load lassen sich emotionale Wertetreiber, ihre Beziehungen zueinander und ihre Bedeutungen für den Markenkern, die Markenidentität und die Kaufentscheidung identifizieren.
„Je stärker der Limbic® Load, desto stärker lädt der abgefragte Wert die Marke auf.“
„Je geringer der Limbic® Load, desto weniger stark lädt der Wert die Marke auf.“
Bei Limbic® Load handelt es sich um ein „mehrstufiges, wissenschaftlich und messtechnisch valides Modell zur quantitativen Ermittlung der individuellen emotionalen Landkarte von Marken, Packungen, Kommunikations-Maßnahmen, etc.“ (Gruppe Nymphenburg 2020c)
Abbildung 3: Limbic® Load (Gruppe Nymphenburg 2020c)
Limbic® Explorer
Warum kaufen Kunden oder warum kaufen Kunden nicht? Der Limbic® Explorer hilft dabei die impliziten Konsumentenmotive zu verstehen. Jedoch können diese nicht direkt abgefragt werden, da sie uns in Regel selbst nicht bekannt sind (Gruppe Nymphenburg 2020a).
Abbildung 4: Limbic® Explorer (Gruppe Nymphenburg 2020a)
An diesem Punkt setzt der Limbic® Explorer an, indem er Bildmaterial verwendet, um Gedächtnisinhalte des Konsumenten darzustellen und um die Rationalisierungsfalle expliziter Methoden zu umgehen. Der Limbic® Explorer ermöglicht die Kombination von verschiedenen methodischen Zugängen zur Erforschung der Markenwahrnehmung bzw. des Markenimages und gewährleistet gleichzeitig einen hohen Grad an Standardisierung (Gruppe Nymphenburg 2020a)
Abbildung 5: Limbic® Explorer 2 (Gruppe Nymphenburg 2020a)
Limbic® Emotional Assessment (LEA)
Die Grundlage von LEA sind „Methoden aus dem Gebiet der Psychologie der Markenführung bzw. der Psychophysiologie“ (Gruppe Nymphenburg 2020b). „Psychophysiologie befasst sich mit den Zusammenhängen zwischen verschiedenen psychischen Vorgängen und den damit einhergehenden körperlichen Reaktionen.“ (ebd., 2020c).
LEA misst folgende psychische Vorgänge:
- Emotionen
- Aktivierungsstadien
- Bewusstseinsveränderungen
- Verhaltenstendenzen
(ebd., 2020c)
Abbildung 6: Limbic®Emotional Assessment (Gruppe Nymphenburg 2020b)
Limbic® Brand Pilot
Mit dem Limbic® Brand Pilot können gewonnene Erkenntnisse für die Markensteuerung und den Markenaufbau genutzt und in der Praxis umgesetzt werden. Relevante Markenmotive werden mit diesem Instrument übersichtlich dargestellt, wodurch sich erklären lässt, „welche Bedürfnisse und Gefühle von der Marke künftig aktiviert werden müssen“ (Gruppe Nymphenburg 2020d). Die wesentlichen Aspekte der Markenpositionierung werden in sieben übergeordneten Marken-Dimensionen zusammengefasst und bieten eine praxistaugliche Grundlage im Tagesgeschäft sowohl für den internen Gebrauch, als auch für die Zusammenarbeit mit externen Partnern“ (vgl. ebd., 2020a).
Abbildung 7: Limbic® Brand Pilot (Gruppe Nymphenburg 2020d)
Das Gehirn im Autopiloten
Mittlerweile sollte es deutlich geworden sein, wie komplex und umfangreich das Thema Neuromarketing ist. Neuromarketing als eine alleinstehende Methode zu bezeichnen, wäre vollkommen unzureichend. Allein Limbic® bieten einen ganzen Werkzeugkoffer voller Methoden.
Was wir aber grundsätzlich wollen, wenn wir Neuromarketing in der Praxis anwenden, ist, dass wir die Kaufentscheidung des Konsumenten gezielt beeinflussen. Wie erreichen wir das? Genau, wir müssen das Konsumentengehirn in den Autopiloten bringen. Wissenschaftlich sprechen wir hierbei von kortikaler Entlastung. Der präfrontale Kortex ist ein Bereich der Großhirnrinde, ein Hirnareal, welches für unser rationales Denken verantwortlich ist. Zugleich ist dieser Bereich auch eines der größten Areale unseres Gehirns und wie auch andere Organe unseres Körpers, ist auch das Gehirn zum Energiesparen angelegt. Was bedeutet dies für das Neuromarketing?
Unser Gehirn nimmt täglich tausende Werbebotschaften wahr, bewusst oder unbewusst. Um nicht zu überlasten filtert der präfrontale Kortex und schaltet in Sekundenbruchteilen in den Autopiloten und nimmt uns die Arbeit ab ständig rationale Entscheidungen treffen zu müssen. Hierbei spricht man auch von „Sekunden-Kommunikation“. Vereinfacht können wir hierbei auch zwei Systeme im Gehirn benennen, „das implizite System“ und „das explizite System“.
Das implizite System verarbeitet z.B. unsere Erinnerungen, hier arbeitet unser Gedächtnis.
- Gedächtnis
- Wahrnehmung
- Assoziationen
- Einstellungen
- Emotionen & Motive
Hier werden „unbewusst und implizit“ Codes verarbeitet, die in „spontanes Verhalten“ überführt werden. Wir sprechen hier vom Autopiloten.
Das explizite System hingegen ist der Pilot unseres Gehirns.
- Denken
- Fakten
- Vernunft
- Sprache
Hier entsteht explizites, bewusstes und reflektiertes Verhalten.
Wir können diese Erkenntnisse nutzen, um unsere Werbebotschaften so zu konstruieren, dass wir das implizite System des Gehirns ansprechen und durch kortikale Entlastung, anstatt reflektiertem Verhalten, zu spontanem Verhalten animieren. Durch gezieltes Branding können wir bei unseren Kunden für eine emotionale Konditionierung sorgen, die unsere Markenbotschaft als Erinnerung im Gedächtnis des Konsumenten speichert. Dies erleichtert die Aktivierung des Autopiloten. Diese Verankerung können wir gezielt nutzen, um unsere Markenbotschaft zu implementieren.
Bestenfalls haben wir bereits eine unverwechselbare Markenwahrnehmung geschaffen, mit der wir die Implementierungslücke anderer, austauschbarer Marken, mit unser starken, emotionalisierten Markenbotschaft füllen („First-Choice-Brand-Effect“). Dies können wir z.B. im Vorfeld planen, indem wir beim Markenaufbau ein gezieltes „Brand Code Management“ in unsere Markenstrategie einbinden (vgl. Scheier und Held 2014, S. 77–114).
Neuromarketing und Brand Code Management
Eine grundlegende Erkenntnis aus der Forschung ist demnach, dass Werbung auch ohne bewusste Aufmerksamkeit wirkt. Wie nutzen wir diese Erkenntnis in der Praxis? Durch „Brand Code Management“ (BCM).
Kurzgefasst bedeutet das für uns, dass wir die Motive des Kunden, die für einen Kauf entscheidend sind, mit Codes verknüpfen müssen. Was ist mit Codes gemeint?
- Sprache
- Geschichten
- Symbole
- Sensorik
Man kann sich hierunter ein Netzwerk an Codes vorstellen, die miteinander verknüpft sind und unsere Markenbotschaften kommunizieren (vgl. ebd., 2014, S. 89–114).
Neuromarketing und Storytelling
Alte Geschichten oder neue Erkenntnisse? Oder alter Wein in neuen Schläuchen? Die Erkenntnis, dass sich Geschichten sehr gut dazu eignen Markenbotschaften zu transportieren ist nicht neu. Neu ist allerdings die Erkenntnis aus der Hirnforschung, „dass unser Gehirn alle Informationen in Musterfolgen strukturiert, die wir umgangssprachlich als Geschichten bezeichnen“ (vgl. Fuchs 2014, S. 167–182).
Was nutzt uns diese Erkenntnis für die Praxis? Ganz klar, wir sollten ganz bewusst unsere Geschichte erzählen. Schon emotional und aus dem Bauch heraus, aber nicht zufällig und beiläufig. Wenn wir gehirngerechtes Marketing betreiben wollen, dann sollten wir überlegen, wie wir unsere Informationen und Botschaften gezielt in Muster und Strukturen bringen. Konsumierbare Häppchen. Große Geschichten. Kleine Geschichten. Interessante Geschichten. Aufregende Geschichten. Traurige Geschichten. Authentische Geschichten. Motivierende Geschichten. Emotionale Geschichte.
Jeder hat etwas zu erzählen. Die Frage ist nur, wie erzählen wir es? Und wem erzählen wir es? Welche Motive transportiert die Botschaft unserer Geschichte? Und welche Codes nutzten wir, um unsere Geschichte zu erzählen? Neuromarketing und Storytelling sind für mich mehr als nur Buzzwords. Meiner Meinung nach geht es hier um die mächtigsten Instrumente, die wir haben, um unseren Marketing-Mix effizient zu gestalten.
Making Sense: Multisensorisches Branding
Erinnerst du dich daran, wie es damals in Omas Küche gerochen hat? Dieser leckere Braten? Oder der Geruch von frischer Wäsche? Der Geruch eines Neuwagens? Erinnerst du dich daran, wie sicher du dich gefühlt hast, als du zum ersten Mal Papas Audi Quattro gefahren bist? Du kannst es schmecken. Du kannst es riechen. Du kannst es fühlen. Klar, du erinnerst dich!
Was haben wir bis jetzt gelernt? Genau, wir sollten die Automatismen des Gehirns nutzen. Das implizite System. Den Autopiloten. Erinnerungen sind sehr nützlich, vor allem, wenn sie mit dem Belohnungszentrum unseres Gehirns zusammenspielen. Was wir jedoch häufig vergessen ist, dass wir Möglichkeiten haben die menschlichen Sinne anzusprechen, als Emotionen und Erinnerungen über Metaphern in Geschichten zu transportieren. Geschmäcker, Gerüche, Geräusche, Melodien, Haptik und Sensorik, sind sehr nützlich, um einen direkten Zugang zum Konsumentengehirn zu erhalten. In der Marketingpraxis wird diese Erkenntnis allerdings nur sehr selten genutzt, man könnte beinahe sagen, dass diese Möglichkeit in Vergessenheit geraten ist (vgl. Lindstrom 2014, S. 183–194).
Nutze dieses Potenzial, um dich von deinen Wettbewerbern abzuheben. Jetzt fragst du dich sicherlich, wie du es angehen sollst! Du bietest hochpreisige Beratungsleistungen an? Warum lädst du deine Kunden nicht einfach in dein Lieblingsrestaurant ein? In Hamburg gibt es z.B. traditionelle, chinesische Restaurants, die „unvergesslich“ gute Peking-Ente servieren. Anstatt zu Weihnachten diese billigen Werbegeschenke (Kugelschreiber, Notizblöcke, etc.) zu verschicken, könntest du stattdessen eine individuelle, persönliche und handgeschriebene Karte versenden. Du verkaufst Online-Kurse oder digitale Produkte? Ok, dann gib deinen Kunden als Zugabe etwas Analoges!
Worauf ich hinaus will sollte klar sein. Überlege, wie du das Potenzial multisensorischem Brandings für dich nutzen kannst!
Neuromarketing in der Kampagnen- und Mediaplanung
Wer mich besser kennt oder schon länger verfolgt, der wird mitbekommen haben, dass ich meinen Hintergrund in der Suchmaschinenoptimierung habe. Als SEO höre ich immer wieder, SEO ist tot, SEO ist viel zu teuer, ich mach lieber SEA oder PPC, weil ist viel günstiger und skalierbar.
Ja ja, ich gebe es ja zu. SEO ist aufwendig. SEO kostet Zeit. Und Zeit ist teuer. Aber SEO ist kein Projekt. Und ich finde den Begriff SEO-Kampagne auch etwas schief. SEO ist ein Prozess. SEO nachhaltig. Und langfristig betrachtet spart SEO sogar Kosten, aber das ist ein anderes Thema. Worauf ich hinaus will ist, dass man den gesamten Prozess des strategischen Marketings im Blick haben sollte. Ich kann sicherlich einen Betrag X in die Hand nehmen, ein paar Autokampagnen schalten und prozessbegleitend die Kampagne optimieren, indem ich die Keywords und Phrasen mit schlechter Performance aussortiere und mein Budget auf die restlichen Keywords verteile. Die Kampagne ist effektiv und läuft profitabel. Den Aufwand und die Kosten für eine sauber ausgearbeitete Strategie inkl. Personas usw. spare ich mir jedoch lieber, weil geht ja auch ohne! Aber ist das wirklich effizient? Ich sage nein und behaupte, sowas kann richtig in die Hose gehen und sich als böses Sparparadoxon entpuppen!
Warum? Lass es mich in zwei weiteren Beispielen erklären.
1. Neurowissenschaftliche Geschlechterforschung
Aus Gründen der Politcal Correctness werden Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht immer offen ausgesprochen. Die neurowissenschaftliche Geschlechterforschung liefert jedoch eindeutige Beweise dafür, dass Frauen und Männer sich in ihrem Handeln unterscheiden. Besonders deutlich können diese Unterschiede am Beispiel des Kaufverhaltens werden (Häusel 2014a, S. 17).
2. Cultural Neuroscience
Für ein „kulturadäquates Marketing“ ist es meiner Meinung nach unerlässlich, dass man mehr als nur die Zahlen im Blick hat. Stell dir vor du bist Produzent von Küchengeräten. Made in Germany, top Qualität, die Zahlen sind super. Nun überlegst du nach Asien zu expandieren. Gesagt, getan, aber irgendwie läuft das Geschäft nicht an. Dabei lieben die Asiaten deutsche Qualitätsprodukte. Und deine Anzeigen laufen in allen anderen europäischen Ländern bombastisch. Aber warum nicht in Asien? Ganz einfach, die Asiaten lesen die Anzeigen nicht nur anders, sie sehen die Anzeigen anders!
Nicht nur Sprachstruktur ist entscheidend, vor allem die Anzeigengestaltung ist relevant für die „visuell-kognitive Verarbeitung“. Die Europäer suchen im Bild ein Hauptobjekt, die Asiaten hingegen betrachten das Bild als gesamtes Objekt (vgl. Seelmann-Holzmann, S. 195–202).
Für die Anzeigengestaltung ist das ein gravierender Unterschied, der maßgeblich die Kampagnenleistung beeinflusst. Wenn man solche Aspekte bei der Kampagnen- und Mediaplanung nicht berücksichtigt, dann kann man ordentlich Budget verbrennen. Selbst wenn die Kampagne profitabel läuft, die benötigten Ressourcen, um die Kampagne zu optimieren und auszusteuern, können deutlich höher liegen als der benötigte Aufwand für eine im Vorfeld getätigte, saubere, strategische Planung.
Mein Fazit zum Thema Neuromarketing in der Praxis
Tschüss Homo Oeconomicus, tschüss Maslow! „Emotionen als Entscheider und Werttreiber“, Preis und Eigenschaften vs. Emotionen, Werte und Problemlösungen. Zahlen und quantitative Zusammenhang sind insbesondere im Marketing von großer Bedeutung. Aber denken wir doch einfach daran, worauf diese Zahlen basieren. Genau. Sie basieren auf sozialem Handeln. Auf menschlichen Interaktionen. Manchmal auf Logik. Häufig sind sie abstrakt und selten basieren sie auf rationalen Entscheidungen. Leider kommt die Betrachtung sozialem Handels in manchen Modellen häufig viel zu kurz (vgl. Häusel 2014b, S. 139–140).
Anstatt über alten Wein in neuen Schläuchen zu lamentieren und uns an Begrifflichkeiten aufzuhängen, sollten wir den Fortschritt zugewandt sein. Das Neuromarketing ist vom Erkenntnisinteresse geleitet und wir sollten es in diesem Fall auch sein. Ich konnte hoffentlich aufzeigen, dass wir mit den Erkenntnissen aus der Wissenschaft und Forschung, unsere tägliche Arbeit in der Praxis bereichern können. Nein, nicht nur bereichern, wie können unsere Arbeit noch besser und effizienter gestalten. Neuromarketing in der Praxis anzuwenden, setzt nicht voraus, dass wir kostspielige fMRT-Studien in Auftrag geben, dafür sind andere Personen verantwortlich. Wir müssen uns nur die Mühe machen, deren Ergebnisse in die Praxis zu übertragen.
Zusammengefasst lautet mein Fazit, Neuromarketing ist kein Hexenwerk. Neuromarketing ist gehirngerechtes Marketing und gehirngerechtes Marketing ist kosteneffizient!
Übrigens bin ich am 5. November als Speaker auf „The Digital Neuromarketing Conference 2020“ zu hören und habe noch ein Ticket im Wert von 299€ zu verlosen. Wenn Du mehr zum Thema Neuromarketing erfahren und an der Konferenz teilnehmen möchstest, dann trage dich einfach in meinen kostenlosen Newsletter ein und du nimmst automatisch an der Verlosung teil!
Quellenverzeichnis
Fuchs, Werner T. (2014): Storytelling: Wie hirngerechte Marketing-Geschichten aussehen. In: Hans-Georg Häusel (Hg.): Neuromarketing. Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenführung, Werbung und Verkauf. 3. Auflage. München: Haufe Lexware Verlag (Haufe Fachbuch), S. 167–182.
Gruppe Nymphenburg (2020a). Online verfügbar unter https://www.nymphenburg.de/markenwahrnehmung-markenimage-limbic.html, zuletzt geprüft am 18.10.2020.
Gruppe Nymphenburg (2020b). Online verfügbar unter https://www.nymphenburg.de/psychologie-markenfuehrung-limbic.html, zuletzt geprüft am 18.10.2020.
Gruppe Nymphenburg (2020c). Online verfügbar unter https://www.nymphenburg.de/markenkern-markenidentitaet-limbic.html, zuletzt geprüft am 18.10.2020.
Gruppe Nymphenburg (2020d). Online verfügbar unter https://www.nymphenburg.de/markenaufbau-markensteuerung-limbic.html, zuletzt geprüft am 18.10.2020.
Gruppe Nymphenburg (2020e). Online verfügbar unter https://www.nymphenburg.de/limbic-map.html, zuletzt geprüft am 18.10.2020.
Gruppe Nymphenburg (2020f). Online verfügbar unter https://www.nymphenburg.de/identitaetsorientierte-markenf%C3%BChrung-limbic.html, zuletzt geprüft am 18.10.2020.
Häusel, Hans-Georg (Hg.) (2014a): Neuromarketing. Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenführung, Werbung und Verkauf. 3. Auflage. München: Haufe Lexware Verlag (Haufe Fachbuch). Online verfügbar unter http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=1658386.
Häusel, Hans-Georg (2014b): Think Limbic! Inkl. Arbeitshilfen online ; Die Macht des Unbewussten nutzen für Management und Verkauf. 1. Aufl. s.l.: Haufe Verlag (Haufe Fachbuch, v.10109). Online verfügbar unter http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=1781453.
Kenning, Peter (2014): Neuroökonomik, Neuromarketing und Consumer Neuroscience: Eine Standortbestimmung aus der Perspektive der Wissenschaft. In: Hans-Georg Häusel (Hg.): Neuromarketing. Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenführung, Werbung und Verkauf. 3. Auflage. München: Haufe Lexware Verlag (Haufe Fachbuch), S. 23–33.
Lindstrom, Martin (2014): Making Sense: Die Macht des multisensorischen Brandings. In: Hans-Georg Häusel (Hg.): Neuromarketing. Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenführung, Werbung und Verkauf. 3. Auflage. München: Haufe Lexware Verlag (Haufe Fachbuch), S. 183–194.
Scheier, Christian; Held, Dirk (2014): Die Neuro-Logik erfolgreicher Markenkommnikation. In: Hans-Georg Häusel (Hg.): Neuromarketing. Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenführung, Werbung und Verkauf. 3. Auflage. München: Haufe Lexware Verlag (Haufe Fachbuch), S. 77–114.
Seelmann-Holzmann, Hanne: The Asian Brain: Impulse der Cultural Neuroscience für kulturadäquates Marketing, S. 195–209.