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#1 New Work und Wissenschaft – #1 Neue Arbeit braucht neue Lebensläufe

by Wissenschaft, New Work0 comments

Mit meinem letzten Beitrag zum Thema New Work, habe ich versucht New Work als Buzzword zu entmystifizieren. Ich habe mir selbst schon häufig die Frage gestellt, wie neu ist New Work eigentlich? Und was steckt eigentlich hinter diesem Begriff?

Seit der COVID-19-Pandemie erfährt der New-Work-Begriff einen gewissen Hype, was ich grundsätzlich nicht nur negativ betrachte, sofern New Work nicht zum „Greenwashing Label“ verkommt. Daher möchte auf meinem Blog eine Artikelreihe starten, die sich mit dem Zusammenhang von New-Work-Themen und Wissenschaft beschäftigt. Vielleicht hilft dies gerade den Personen den New-Work-Begriff besser einzuordnen, die nicht aus der Organisationsentwicklung kommen oder einen keinen sozialwissenschaftlichen Hintergrund haben.

In meiner Ausbildung zum New Work Facilitator, wurde der Fokus vor allem auf die praktische Arbeit in der Organisationsentwicklung gelegt. Der New-Work-Begriff war bis dahin auch weder fremd, noch hätte ich ihn als Buzzword im Bullshit Bingo eingeordnet. Als Soziologe war mein Bezug jedoch deutlich theoretischer und die Ausbildung an der TAM Akademie hat mir konsequent Anknüpfungspunkte für die Praxis vermittelt. Dennoch möchte ich mein Studium als wissenschaftliches Fundament nicht missen. Meine Studienschwerpunkte waren u.a. Sozialpsychologie, Arbeits- und Organisationssoziologie sowie Mediensoziologie. In diesem Kontext habe ich mich öfter mit dem Forschungsfeld der Lebenslauf- und Biografieforschung beschäftigen dürfen. Insbesondere die Lebenslaufsoziologie liefert uns Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss die stetig fortschreitenden Transformationsprozesse am Arbeitsmarkt, auf das Individuum haben.

Wer also Interesse daran hat, sich dem New-Work-Begriff etwas wissenschaftstheoretischer zu nähern, darf sich herzlichst dazu eingeladen fühlen, wenn ich hier ein paar Auszüge aus meinen Studienarbeiten teile!

Ich beginne mit einer kurzen Textbearbeitung zu Ulrich Mückenberger und „Die Krise des Normalarbeitsverhältnisses“.

  1. Literaturangabe

Mückenberger, Ulrich (1985): Die Krise des Normalarbeitsverhältnisses. Zeitschrift für Sozialreform 31 (7): 415-434 (Teil 1) und 31 (8): 457-475 (Teil 2).

 

  1. Textbearbeitung

Im vorliegenden Text beschreibt Ulrich Mückenberger, wie sich das „Normalarbeitsverhältnis einer Krise vollzieht. Eingebunden in ein Arrangement aus Rechtsverhältnis und der Sozialverfassung von Arbeit, wird es vor dem Hintergrund eines konstanten Fortschritts sozialer Transformationsprozesse hinterfragt (vgl. Mückenberger 1985, S. 420 – 434).

Mückenberger gibt eine Abhandlung darüber aus welchen formalen und normativen Bedingungen das Normalarbeitsverhältnis konturiert ist. Die Form des Normalarbeitsverhältnisses leitet sich aus unterschiedlichen „Normalarbeitskriterien“ ab. Beispielsweise definiert sich das Normalarbeitsverhältnis aus Arbeit die im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet wird. Vorausgesetzt wird ebenfalls, dass es sich um ein Vollzeitarbeitsverhältnis handelt, welches sich auf einen Arbeitgeber konzentriert. Besonders deutlich wird dies bzgl. der Ausgestaltung und Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes. Etwa bei der Bemessung einer Abfindung nach einer Kündigung, wobei die Dauer und Kontinuität einer Beschäftigung als wesentlicher Maßstab dienen. Gleiches gilt bei der Berechnung von Rentenbezügen (vgl. ebenda, 420 – 425). Die Konsistenz von Dauer und Kontinuität gibt den Rahmenbedingungen des Normalarbeitsverhältnis ein wesentliches Fundament. Hier setzt aber auch die umfangreiche Kritik Mückenbergers an. Dieser stellt diese Bedingungen den dynamischen Transformationsprozessen sozialen Wandels gegenüber. Zudem verweist Mückenberger auch auf einige positive Aspekte, die er in dieser von ihm beschriebenen „juristischen Fiktion“ herausarbeitet, z.B. der Schutz durch eine sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung, sofern die Bedingungen für eine adäquate Ausübung eines Normalarbeitsverhältnisses gegeben sind (vgl. ebenda, 422 – 434).

Darüber hinaus lassen sich weitere Kritikpunkte finden, wenn das Konzept vom Normalarbeitsverhältnis im Kontext des „lebenslangen Lernens“ behandelt wird. Lebenslanges Lernen setzt ebenfalls voraus, dass eine gewisse Konsistenz von Dauer und Kontinuität an seine Bedingungen geknüpft ist. Die Rahmenbedingungen beider Konzepte kollidieren jedoch miteinander. Wo das Normalarbeitsverhältnis auf eine strikte Normierung setzt, dort setzt lebenslanges Lernen auch Durchlässigkeit voraus. Um den Auswirkungen von Globalisierungszwängen und einer Bildungsexpansion entgegenwirken zu können, ist es nötig die Bedingungen für einen Zugang zu Qualifikations- und Bildungsangeboten so flexibel wie möglich und vor allem so flexibel wie nötig zu gestalten. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des dritten Bildungsweges, welcher starken Restriktionen durch die Konstituierung des Normalarbeitsverhältnisses unterliegt. Nach bisherigem Kenntnisstand ist der Fachbereich Sozialökonomie an der Universität Hamburg, die einzige Institution bundesweit, die ein Studium ohne Abitur „und ohne staatlich anerkannte Berufsausbildung“ ermöglicht. Dies ist möglicherweise ein Relikt daraus, dass man die Bedingungen des offenen Hochschulzugangs, unter Einfluss von Restriktionen, die an das Normalarbeitsverhältnis geknüpft sind, aufgestellt hat. Hierbei ist Qualifikation ein wesentlicher Aspekt (vgl. ebenda, S. 428 – 430). In diesem Zusammenhang könnte man fragen, ob eine seit fünf Jahren freiberuflich aber in Dauer und Kontinuität vergleichbar beschäftigte Person, für deren Tätigkeit es keine staatlich anerkannte Ausbildung gibt, die jedoch Fachwissen, professionelles Handeln und das Erwerben von nicht-formalen Kompetenzen voraussetzt, als Studienbewerber weniger qualifiziert ist als eine Versicherungskauffrau oder ein Fleischergeselle! Die Freien Berufe liefern dafür unzählige Beispiele vom Autor bis zum Makler.

Für mich ist es trivial, dass neue Arbeit neue Lebensläufe braucht und die Verwissenschaftlichung von Tätigkeiten ein lebenslanges Lernen erfordert. Allerdings bin ich der Ansicht, dass sich der Wandel schneller vollzieht, als die Gesellschaft und die Organisationen darauf angemessen reagieren. Die Folge ist Disruption auf dem Arbeitsmarkt. Nach wie vor wird in Teilen am Normalarbeitsverhältnis festgehalten und standardisierte Lebensläufe werden immer noch eingefordert und propagiert.

Wo steht ihr, immer noch mit standardisiertem Lebenslauf im Normalarbeitsverhältnis?